Im Dialog mit seinen Mitmenschen zu sein – mit ihnen zu sprechen und sich auszutauschen – bereichert das Leben ungemein. Die Gespräche können an-, aufregen oder uns ganz unberührt lassen, aber sie bringen uns immer weiter und liefern Erkenntnisse. Die Stimmen verschiedener Menschen zu hören und darauf zu reagieren sowie Veränderungen wahrzunehmen und einzuordnen, gehören zum gemeinsamen Miteinander.
Für eine taubstumme Person ist diese Ebene zwischenmenschlicher Kommunikation verschlossen. Womöglich fühlt es sich sehr einsam an und dieses Gefühl wird auf dem gewählten Foto auf gewisse Weise spürbar – auch wenn es in der Umgebung eines taubstummen Menschen viele Mitmenschen gibt. Der Zugang über die Sprache ist verschlossen und der Dialog fehlt.
Jesus heilt einen taubstummen Mann im Evangelium, indem er seine Finger in die Ohren des Mannes legt und seine Zunge berührt. Die wundersame Wirkung dieser Handlung ist für den Betroffenen und die umherstehenden Personen definitiv überwältigend. Sie können die Erfahrung kaum für sich verarbeiten und sehen sich sozusagen gezwungen, darüber in den Dialog zu gehen und anderen davon zu erzählen. Dabei missachten sie Jesu Redeverbot, doch das Mitteilungsbedürfnis ist zu groß. Selbst wenn das Wunder ausgeblieben wäre, stelle ich mir vor, dass die Berührungen Jesu bereits eine besonders intensive Erfahrung für den taubstummen Mann gewesen wären. Denn er kann weder sprechen noch hören, was die Sinneswahrnehmung im Berühren und Spüren vermutlich intensiviert. Da ist jemand, der ihn ganz aufmerksam wahrnimmt und seine Schwachstellen ansieht und sogar berührt. Vielleicht war dies ein im wahrsten Sinne des Wortes so berührendes Erlebnis, dass den Glauben an Jesus entfachte und so zur Voraussetzung und Notwendigkeit des Wunders wurde. Jesus und der taubstumme Mann erleben das Wunder gemeinsam. Es fällt mir schwer, eine richtige Vorstellung davon zu bekommen, was diese gewaltige Veränderung bzw. Öffnung für diesen Menschen bedeuten muss. Er findet sich in einer völlig neuen Welt wieder, die ihn aus der Abschottung heraus in die laute Welt manövriert, die sicherlich erst einmal auch sehr reizüberflutend gewesen sein muss.
Thale Schmitz
Evangelium:
Mk 7, 31–37: Ein Taubstummer kann wieder hören und sprechen
31 Von Tyrus aus ging Jesus in die Stadt Sidon und von dort wieder an den See von Galiläa, mitten in das Gebiet der Zehn Städte.
32 Dort brachte man einen Taubstummen zu ihm mit der Bitte, ihm die Hände aufzulegen.
33 Jesus führte den Kranken von der Menschenmenge weg. Er legte seine Finger in die Ohren des Mannes und berührte dessen Zunge mit Speichel,
34 sah auf zum Himmel, seufzte und sprach: „Effata!“, das heißt: „Öffne dich!“
35 Im selben Augenblick konnte der Taubstumme hören und sprechen.
36 Jesus verbot den Leuten, darüber zu reden. Aber je mehr er es ihnen verbot, desto mehr machten sie es bekannt.
37 Denn für die Leute war es unfassbar, was sie gesehen hatten. „Es ist einfach großartig, was er tut!“, erzählten sie überall. „Selbst Taube können wieder hören und Stumme sprechen!“