Jesus heilt einen Blinden – doch was bedeutet es, blind zu sein?
Ich denke dabei nicht nur an die physiologische Erblindung, die ein vermindertes Sehvermögen oder den vollkommenen Sehverlust zur Folge hat, sondern auch an die verminderte Wahrnehmung. Es gibt Wirklichkeiten, die wir sehen, während wir für andere blind sind – teils bewusst durch Verdrängung, aber teilweise auch unbewusst.
Wie oft bin ich blind gegenüber dem, worauf es ankommt? Blind für das, was von mir gefordert wird oder was mich wirklich weiterbringt? Konflikte und Schwierigkeiten werden gerne vermieden oder sogar totgeschwiegen, um sich keinen unangenehmen Situationen auszusetzen. Dabei möchte Jesus doch Freiheit für uns – er hilft uns durch Herausforderungen hindurch, die uns letztlich weiterbringen und Heilung schenken.
Der Blinde im Evangelium gibt alles, um Jesus zu begegnen und es hält ihn nicht auf, dass andere ihn davon abbringen und ihn zum Schweigen bringen möchten. Sein Vertrauen hat ihm geholfen, nicht nachzugeben – trotz Scham vor den anderen.
Dieses Vertrauen ist es, dass uns die blinden Flecken nimmt und uns ermutigt, das Wagnis oder vielmehr die Wagnisse im Leben anzugehen – egal wie konfliktbehaftet und unberechenbar sie sein mögen.
Besonders eindrücklich finde ich, dass der Blinde seinen Mantel wegwirft und somit noch entblößter vor Jesus steht. Damit meine ich keine anstößige Situation, sondern ein unendliches Vertrauen in Jesus, dass den blinden Mann sozusagen nackt auf ihn zugehen lässt. Er schmeißt sein letztes Hemd weg und setzt alles auf Jesus.
Dieser Mann vereint so viele Lebenswirklichkeiten: Er ist blind und leidet unter dieser Behinderung, die ihn auch in die Einsamkeit stürzen kann. Er ist arm, vermutlich auch wohnungslos, bettelt und ist vielleicht sogar verschuldet. Und: er ist Mensch und dazu noch ein tief gläubiger Mensch, der seine Kraft aus der Beziehung zu Jesus schöpft und darin Heilung findet. Er lässt sich durch die Wirklichkeit von Gott umarmen.
All diese Lebenswirklichkeiten sind Inhalt unserer aktuellen Monatsreihe „Gott umarmt uns durch die Wirklichkeit“, die noch bis Ende Oktober Angebote für Sie bereithält.
Thale Schmitz
Evangelium:
Mk 10, 46-52: Ein Blinder wird geheilt und geht mit Jesus
46 Schließlich hatten Jesus und seine Jünger Jericho erreicht. Als sie die Stadt wieder verlassen wollten, folgte ihnen eine große Menschenmenge. Am Weg saß ein Blinder und bettelte. Es war Bartimäus, der Sohn des Timäus. 47 Als er hörte, dass es Jesus von Nazaret war, der vorbeikam, begann er, laut zu rufen: „Jesus, du Sohn Davids, hab Erbarmen mit mir!“ 48 „Halt den Mund!“, riefen die Leute ärgerlich. Aber er schrie nur umso lauter und immer wieder: „Du Sohn Davids, hab doch Erbarmen mit mir!“ 49 Da blieb Jesus stehen: „Ruft ihn her zu mir!“ Sie liefen hin und sagten zu ihm: „Komm, steh auf! Jesus ruft dich.“ 50 Da warf Bartimäus seinen Mantel weg, sprang auf und kam zu Jesus. 51 „Was willst du von mir?“, fragte ihn Jesus. „Meister, ich möchte sehen können!“ 52 „Sei beruhigt“, antwortete Jesus, „du sollst sehen können! Dein Vertrauen hat dich geheilt.“ Sofort konnte der Blinde sehen. Er schloss sich Jesus an und folgte ihm auf seinem Weg.